Wohnspielräume / Finanzierungsträume

Bedarfsgerechte Architektur im Sozialen Wohnungsbau - machbar und finanzierbar ?

1. BEDARF

Menschen haben Bedürfnisse.

Diese Bedürfnisse werden - auf dem jeweiligen physischen und psychischen Hintergrund der wahrgenommenen Lebensumstände - individuell empfunden und bewertet.

Einer individuellen Bedürfniswahrnehmung und -formulierung haftet jedoch immer eine gewisse Beliebigkeit an, die u.U. bis zur Willkür, ja zur Extravaganz gesteigert werden kann.

Damit diese Bedürfnisse den Charakter eines Bedarfs annehmen können, müssen sie von anderen - in einer demokratischen Gesellschaft von ihrer Mehrheit - als berechtigt anerkannt werden.

Dieser Objektivierungsprozeß kann als gedachte Überlagerung einer Vielzahl von Einzelbedürfnissen gesehen werden, in deren Verlauf deutlich in der Minderzahl befindliche individuelle Wünsche - zunächst - ausgeschieden werden und zahlenmäßig verstärkt auftretende Ansprüche im Filter der sozialen Akzeptanz hängen bleiben.

Überlappende Bedürfnisse konkretisieren sich also zum Bedarf.

Dabei ergibt sich hinsichtlich der alle betreffenden und als Existenzgrundlage unausweichlichen Bedürfnisse ein automatischer Konsens, eine unreflektierte Selbstverständlichkeit: das tägliche Brot, das Dach über dem Kopf, ...

Darüber hinausgehende manifestierte Ansprüche werden aus der individuellen Sicht der Bewertenden akzeptiert, wenn die eigene Situation ähnlich empfunden wird, häufig auch wenn aufgrund der eigenen Situation kein eigener derartiger Anspruch gestellt, dieser jedoch als legitim angesehen wird - man könnte sich zumindest theoretisch in der gleichen Lage befinden.

Schließlich werden von politisch Interessierten auf dem Fond des Prinzips sozialer Gerechtigkeit Forderungen nach anzuerkennenden Bedarfen erhoben, denen - noch - keine individuell artikulierten Bedürfnisse zugrunde liegen: ein allgemeines Recht auf Arbeit, Bildung, Gesundheit, etc.

1.1 Bedarfseingrenzung anhand von Wohnungsattributen

Für den konkreten Bereich der menschlichen Behausung erhebt sich somit die Frage: Wieviel Wohnraum braucht der Mensch?

Jeder Versuch einer Antwort muß realistischerweise von dem in der betreffenden Gesellschaft erreichten sozio-ökonomischen Entwicklungsstand und den naturräumlich-klimatischen Bedingungen ausgehen.

Ebenso wie ein offiziell postulierter Mindestbedarf von 9 m2 Wohnfläche (ohne Nebenräume) pro Bewohner in der ehemaligen UdSSR lange Zeit nur ein hehres Ziel bleiben konnte, wäre es 1910, als im Wiener Durchschnitt etwa diese Wohnflächen verzeichnet wurden, als Hirngespinst verurteilt worden, hätte man als verbindlichen Mindeststandard für jede Wohnung ein eigenes Badezimmer gefordert.

Jeder brasilianischen Familie eine Wohnung mit Zentralheizung in Aussicht zu stellen wäre ebenso ein Schildbürgerstreich wie die verpflichtende Aufnahme eines Dienstbotenzimmers in das Mindestraumprogramm für den österreichischen sozialen Wohnungsbau; umgekehrt sind diese Vorgaben jedoch durchaus realistisch.

Ausgangspunkt ist also zunächst nur, daß jedermann - in diesen Breiten - eine Behausung benötigt (wenn man von den nur zum Teil freiwilligen Clochards/Sandlern absieht). Dieser Grundanspruch ist somit nach quantitativen und qualitativen Kriterien zu spezifizieren und differenzieren.

Die im Vergleich zu gegenwärtig üblichen Ansprüchen kleinen, aber durch kollektive Infrastruktur vielfältig ergänzten Wohnungen des "Roten Wien" der Zwischenkriegszeit sahen für eine Normalfamilie Wohnflächen von 38 m bis 48 m2, später 57 m2 vor - heutige Gemeindewohnungen erreichen im Durchschnitt Wohnflächen von 70 m2, Wohnungen gemeinnütziger Bauunternehmen rund 80 m2.

Die letztgenannten Werte entsprechen also etwa nach heutigen Vorstellungen dem Mindestbedarf eines durchschnittlichen Nachfrager-Haushalts. Allerdings ist der potentielle Spielraum nach unten erheblich: erst unterhalb von etwa 10 - 12 m2 pro Bewohner orten Soziologen erhöhtes familiäres Konfliktpotential.

(Ein kinderloses japanisches Ehepaar hingegen würde eine 50 m2-Wohnung eher als "zu groß" bezeichnen, da in ihrem wirtschaftlich hochentwickelten Heimatland eben diese Größe für eine vierköpfige Familie ausreichend zu sein hat.)

Ergänzend zu diesen Grunddaten sind jedoch eine ganze Reihe weiterer - meist qualitativer - Aspekte der Bedarfsbestimmung zu berücksichtigen, wie z.B.:

1.2 Bedarf als Funktion von Nachfragergruppen

Abgesehen von der Viefalt der genannten wohnungsspezifischen Attribute ist auch die Nachfragerstruktur längst nicht mehr homogen.

Die oben genannten typischen Wohnflächen-Durchschnittswerte (80 m2) unterstellen als dominierenden typischen Nachfrager den klassischen Vier-Personen-Haushalt: zwei Erwachsene, zwei Kinder. Daß dieser Haushalts-Typus auf dem Wohnungsmarkt nicht allein auftritt, ist in den letzten Jahren immer deutlicher geworden: eine ganze Reihe von abweichenden Nachfragergruppen mit spezifischen Wohnbedürfnissen ist - auch unterstützt durch das Interesse der Medien an ungewöhnlichen "life-styles" - verstärkt in das allgemeine und öffentliche Bewußtsein getreten.

Diese divergierenden Nachfrager-Haushalte unterscheiden sich von der traditionellen Kleinfamilienstruktur durch ihre Größe, Zusammensetzung, Erwerbstätigkeit, Lebensform, Freizeitgestaltung, Prioritätensetzung, usw.

Alle diese Interessenslagen können natürlich auch in vielfältiger Kombination auftreten.

Die früher restriktiv und hauptsächlich quantitativ determinierte Nachfragestruktur hat sich somit in ein breites Spektrum unterschiedlichster Nachfragerkategorien aufgefächert, die jeweils um offizielle Anerkennung ihrer spezifischen Bedürfnisse werben, um auf dem Wege einer "affirmative action" eine kompensatorische Bevorzugung gegenüber Standardnachfragern oder zumindest eine Gleichstellung mit diesen zu erlangen.

1.3 Bedarfsdefizite bedingen Wohnungspolitik

Nach expliziter Klärung der vorgenannten und ähnlicher Fragen oder nach ihrer intuitiven Beantwortung können aus dem Vergleich mit dem vorhandenen Wohnungsbestand und seiner Verteilung/Nutzung allfällige Defizite festgestellt werden: dies ist die Geburtsstunde der Wohnungspolitik.

Erst ein (vorhersehbares) Abweichen der Realität von angestrebten (Mindest-)Standards erfordert ein Aktivwerden der öffentlichen Hand, insofern sich der Staat als Garant einer - immer neu zu definierenden - sozialen Mindestabsicherung versteht.

Weichen die realen Wohnraumversorgungs-Kennwerte von den als verbindlich definierten für einen großen Teil der Bevölkerung extrem ab, so werden auch in hochentwickelten Gesellschaften massive Eingriffe in übliche private Rechte gefordert und hingenommen: Wohnungspolitik als Mietenstopp im Ersten Weltkrieg zur Sicherung der Kriegerfamilien; Wohnungspolitik als Wohnungszwangwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg in der BRD aufgrund der weitgehenden Zerstörung des Wohnungsbestands und des sprunghaften Bevölkerungsanstiegs durch Flüchtlinge.

Drakonische Eingriffe in den Bestand (die Bestandsrechte) mit einer markanten Absenkung früher bereits erreichter Standards sind politisch i.a. nur für kürzere Zeit durchsetzbar und müssen durch umfangreiche Neubauprogramme abgebaut werden.

Unter stabilen Rahmenbedingungen versteht sich Wohnungspolitik als schrittweise Heranführung der realen Wohnraumversorgung an mehr oder weniger präzise formulierte Zielvorgaben. Hiebei ist zwischen Bestandspolitik und Neubaupolitik zu unterscheiden.

1.3.1 Bestandspolitik

Angesichts der Tatsache, daß die jährliche Neubauproduktion von Wohnungen jeweils nur einen kleinen Bruchteil des vorhandenen Wohnungsbestands beträgt, sind Maßnahmen, die den Wohnungsbestand betreffen, in dem auch der größte Teil der jährlich neu auftretenden Wohnungsnachfrager seinen Bedarf deckt, von weitreichender Bedeutung.

Die wesentlichsten Elemente der Bestandspolitik umfassen vor allem das Mietrecht (Sicherung von Mieterrechten wie Kündigungsschutz, Festlegung von Mietzinsgrenzen), die Flächenwidmungs- und Bebauungspläne (Schaffung oder Verringerung von Anreizen für einen Abriß und Neubau), zusätzliche Verfügungsbeschränkungen (Denkmalschutz, Umwidmungsverbote) sowie Förderungsprogramme, die auf eine Erhaltung und Verbesserung des Wohnungsbestands abzielen.

Eingriffe der öffentlichen Hand in die Nutzungsverteilung des Bestands im Sinne einer forcierten Beseitigung von Ungleichgewichten (Mindernutzung oder Leerstand von gebrauchsfähigen Wohnungen) finden in Österreich angesichts der zu erwartenden politischen Widerstände kaum statt.

1.3.2 Neubaupolitik

In Österreich wurden in den letzten Jahren bei rund 3,4 Mio. (1991) vorhandenen Wohnungen unter 40 000 Neubauwohnungen (bei fallender Tendenz) pro Jahr errichtet; in Wien hingegen wurden bei einem Bestand von zuletzt rund 850 000 Wohnungen im Mittel des letzten Jahrzehnts nur rund 6 000 Wohnungen gebaut, also weniger als 1 % des Bestands - dies spiegelt nicht zuletzt die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung in den Bundesländern wider.

Während die westlichen Bundesländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg zwischen 1981 und 1991 Bevölkerungszuwächse zwischen rund 8 % und 9 % aufwiesen, erreichte dieser in Wien nur 0,6 %. Dementsprechend entstanden in den erstgenannten Bundesländern im Durchschnitt jährlich mehr als 6 Neubauwohnungen pro 1000 Einwohner gegenüber weniger als 4 in Wien.

2. ARCHITEKTUR

Architektur ist die kombinierte Umsetzung funktionaler und künstlerischer (städte-)baulicher Bedürfnisse.

In wirtschaftlich kargen Zeiten wird der dem Menschen innewohnende Drang zur Überformung von Gebrauchsgegenständen und -räumen der Befriedigung der rein materiellen Bedürfnisse hintangestellt. Perioden relativen Wohlstands und saturierte Gesellschaftsschichten begünstigen eine stärkere Betonung der künstlerischen Aspekte des Bauens bis hin zu einer zweckfreien Architektur im Grenzbereich zur Großplastik.

Angesichts des heute in Mitteleuropa erreichten Massenwohlstands werden qualitative bauliche Defizite stärker empfunden. Das Verlangen nach reiner Funktionserfüllung wird durch ein Streben nach Variation, Identifikation, abgestuften Übergängen zwischen privatem und öffentlichem Raum, überschaubarem Maßstab, temporär besetzbaren Freiräumen, Flexibilität durch eingebaute Reserven, etc. wesentlich erweitert.

Wie können diese neuen/zusätzlichen Ansprüche an Architektur und Städtebau optimal befriedigt werden ?

2.1 Planbarkeit als Funktion des Gesellschaftsmodells

Die Vielfältigkeit der individuellen Wunschvorstellungen innerhalb einer spät-industriellen Gesellschaft und die Unmöglichkeit, dieser durch einen allumfassenden "master plan" gerecht zu werden, legen bereits für den zeitgenössischen Städtebau nahe, die Utopie der totalen Planbarkeit des menschlichen Lebens ad acta zu legen.

Großräumliche Planung muß sich in nicht-totalitären Gesellschaften sinnvollerweise auf die Schaffung infrastruktureller Gerüste und die flächenhafte Festlegung von Nutzungsbedingungen beschränken. Darüber hinaus besteht die Notwendigkeit, in zeichenleeren Gebieten, die nur über unzureichende topographische oder historische Bezugspunkte verfügen, Kristallisationskerne für künftige Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen (wie dies etwa gegenwärtig für das Stadtentwicklungsgebiet östlich von Stadlau unternommen wird).

Die Notwendigkeit einer künstlichen - immer willkürlichen - Zeichensetzung als Ausgangspunkt für spätere bauliche Entwicklungen sinkt mit wachsender Differenzierung der Geländeform und der umgebenden, visuell erfaßbaren Landschaft.

Identifikation ist Unstetigkeit.

Die Böschung im Terrain, der Knick in der Straßenachse, der die Häuser überragende Turm sind Merkzeichen, dienen als Bezugs-, Erinnerungs- und Identifikationspunkte. Die sich um diese Bezugspunkte, an die von ihnen ausgehenden Schwerlinien lagernden Bauten stellen die visuelle Kontinuität dar, die füllende Textur, die ihrerseits der Variation bedarf, doch keinen Anspruch auf jeweilige Solitärstellung erheben soll.

Das Bedürfnis nach Abwechslung oder Anpassung, nach Hektik oder Gelassenheit hängt von der gesellschaftlichen Entwicklung ab. Die heute als normal empfundene Menge unterschiedlicher Eindrücke pro Zeiteinheit hat sich gegenüber der Vergangenheit aufgrund der Verfügbarkeit beschleunigter Transportmittel und der die menschlichen Sinne belagernden Medien stark erweitert.

Städtebau ist jedoch letztlich das Gestalten, Erfassen und Erleben von - öffentlichen - Räumen und Plätzen, der wechselseitige Bezug zwischen Menschen als Fußgehern und der gebauten Umwelt. Verkehrsplanung ist - noch - keine Stadtplanung.

Totale Planung führt zu Monotonie und Lebensfeindlichkeit - eine Ansammlung egozentrischer architektonischer Sebstdarstellungen zum städtebaulichen Chaos.

2.2 Bewohneradäquate Architektur

Innerhalb des großmaßstäblichen Rahmens des Städtebaus kann (soll) die hier konkret zur Diskussion gestellte Wohnbau-Architektur ihre Aufgabe daher nicht in der Schaffung von monumentalen Ensembles sehen, für die der einzelne Mensch nur mehr anonymes Füllmaterial und quantitative Rechtfertigung darstellt. Vielmehr besteht ihre Aufgabe in der Konzeption einer möglichst flexiblen, den jeweiligen Lebensumständen und Lebensformen der künftigen Bewohner angepaßten "zweiten Haut", die in ihrer äußeren Erscheinung sowohl auf die Form und Beschaffenheit des Geländes als auch auf die Struktur und den Maßstab der umgebenden Gebäude Rücksicht nimmt.

Um die gewünschte spezifische Interpretation der Bewohnerbedürfnisse von bereits etablierten (kleinen) Nachfragergruppen zu erzielen, sind interaktive Planungsprozesse zwischen Fachmann und Nutzern nützlich. Erfahrungsgemäß liegt die günstigste Größenordnung für eine mitbestimmungsorientierte Planung wie auch für eine durch die Bewohner übernommene spätere Selbstverwaltung aufgrund des rasch komplexer werdenden Abstimmungs- und Koordinationsaufwands um 10 Wohneinheiten (mit einer Obergrenze etwa bei der doppelten Zahl).

Umfangreiche (Bau-)Planungen für nicht identifizierte Nutzergruppen erreichen am ehesten durch Wettbewerbe, anschließende Festlegung minimaler verbindlicher Leitlinien und Strukturen und von zahlreichen Einzelplanern konkretisierte Entwürfe relativ kleiner Wohngruppen die genannten Ziele.

Offensichtlich resultieren derartig optimierte Planungsprozesse in einem - auch für die Nutzer - höheren Planungsaufwand als für traditionelle, rein (baustellen-)ökonomisch rationalisierte Großprojekte, unabhängig davon, wer diese zusätzlichen Kosten trägt.

3. FINANZIERUNG

Gegenwärtigen Wohnungsherstellungskosten stehen künftige Nachfragerzahlungen gegenüber.

Die im Verhältnis zu den laufenden Einkommen außerordentlich hohen Produktionskosten einer Wohnung (im Durchschnitt etwa 5-6 mittlere Jahreseinkommen) zwingen praktisch alle Nachfrager, diese Kosten über längere Zeiträume zu verteilen, also weitgehend mit Fremdkapital zu finanzieren.

Der Aspekt der rein technisch-organisatorischen Machbarkeit ist demgegenüber, abgesehen von der Notwendigkeit der Bereitstellung von Baugrund - auf die hier trotz ihrer fundamentalen Bedeutung nicht näher eingegangen werden kann - relativ problemlos. Sobald die Planungsvorgaben bestimmt sind und die Planung selbst vorliegt, besteht die Hauptschwierigkeit für eine Realisierung des Wohnbauprojekts in der Formulierung eines tragfähigen Finanzierungskonzepts, das für die vorhandenen Nachfrager-Haushaltseinkommen erschwinglich ist.

3.1 Charakteristik traditioneller Finanzierungssysteme

Die Bereitstellung von Fremdkapital erfolgt - außerhalb des Familienverbands - üblicherweise in der Form von Darlehen, für die in der Folge ein entsprechender Aufwand des Darlehensnehmers in der Form von Tilgung, Zinsen und eventuell Gebühren anfällt.

Das uns zur Selbstverständlichkeit gewordene traditionelle Finanzierungssystem sieht dafür nominell konstante Annuitäten (Raten) vor, mit anfänglich hohen Zins- und später steigenden Tilgungsanteilen. Diese Finanzierungsmodelle haben - trotz ihres verbreiteten Einsatzes - mehrere gravierende Nachteile:

3.2 Systemkorrekturen durch Eingriffe der öffentlichen Hand

Die diversen Wohnbauförderungs-Modelle versuchen, über eines oder mehrere der folgenden Instrumente den Wohnungsnachfrager zu entlasten:

  1. Bereitstellung von zinsgünstigen Landesdarlehen
  2. Gewährung (rückzahlbarer oder nicht rückzahlbarer) Annuitätenzuschüsse
  3. Zinssatzbegrenzungen für Kapitalmarktdarlehen
  4. Gewährung verlorener Baukostenzuschüsse

Diese Markteingriffe erweisen sich als unterschiedlich wirksam und ergiebig:

ad 1) Durch Landesdarlehen-Zinssätze, die unter der Inflationsrate liegen, findet keine vollständige reale Tilgung des eingesetzten Kapitals statt; für die Zusicherung neuer Darlehen müssen daher immer wieder - zumindest teilweise - frische öffentliche (Steuer-)Mittel flüssig gemacht werden.

ad 2) Annuitätenzuschüsse zu Kapitalmarktdarlehen ergeben - wenn verallgemeinert - stark steigende Belastungen des öffentlichen Haushalts und reduzieren damit die finanziellen Spielräume für die Zukunft. Gleichzeitig machen sie die Darlehensnachfrager weitgehend unempfindlich für Zinssteigerungen (Bankensubvention).

ad 3) Administrative Beschränkungen von Marktzinsen sind nur wirksam, solange die Refinanzierung der Darlehen gesichert bleibt. Unterschreitet der zugestandene Zinssatz die Summe aus Refinanzierungskosten, Verwaltungsaufwand und angestrebtem Gewinn, so wird die Zusicherung dieser Darlehen von den Kreditinstituten eingestellt.

ad 4) Verlorene Baukostenzuschüsse reduzieren den zu finanzierenden Teil der Gesamtbaukosten und damit die aus der Finanzierung resultierende Zinsenbelastung im Verhältnis ihres Anteils an diesen. Ihr Einsatz ist durch die Verfügbarkeit der öffentlichen Mittel begrenzt.

3.3 Nutzerentlastung ohne Förderung

Eine den Darlehensnehmer merklich entlastende, nachhaltige und subventionsfreie Finanzierungsform kann nur über eine Reduzierung der realen Passivzinsenanteile (Anlegerzinsen nach Inflation) und allenfalls der Bruttozinsspannen der Kreditinstitute (Kapitalbeschaffungskosten, Haftkapitalkosten, Risikokosten, Darlehensverwaltungskosten, Gewinn vor Steuern) erfolgen.

4. SOZIALER WOHNBAU

Kernstück dieser knappen Überlegungen ist die Frage, inwieweit ein Sozialer Wohnbau die weiterhin manifesten alten und die neu hinzugekommenen und hinzukommenden Bedarfe angesichts tendenziell knapper werdender öffentlicher Mittel und der jeder Fremdkapitalfinanzierung inhärenten Problematik zu decken imstande sein kann.

4.1 Definition eines Sozialen Wohnbaus

Das Fundament jedes sozialen Wohnbaus bildet die schon genannte elementare materielle Fürsorgepflicht des Staates für jeden Staatsbürger.

Wenn man diese grundsätzliche Verantwortung der öffentlichen Hand anerkennt erhebt sich die Frage, welche die Ziele/Aufgaben des Sozialen Wohnbaus sind und wer seine Zielgruppe darstellt ?

Eine mögliche Antwort könnte sein:

Die Existenzberechtigung eines Instruments "Sozialer Wohnbau" besteht in einer durch reine Marktmechanismen ungenügenden Bedarfsdeckung wirtschaftlich schwacher Bevölkerungsschichten.

Als zukunftsorientierter Bestandteil der Wohnungspolitik kann durch einen sozial determinierten Wohnungsneubau grundsätzlich eine schrittweise Linderung bestehender Wohnraumdefizite erreicht und eine zunächst ungenügend kaufkräftige Nachfrage tendenziell gedeckt werden.

Ein Sozialer Wohnbau sollte daher ausschließlich auf die dringende Beseitigung manifester quantitativer und qualitativer Defizite dieser Bevölkerungsgruppen ausgerichtet sein.

Ein öffentlicher Mitteleinsatz für Subventionen zur Verbesserung des allgemeinen Wohnungsstandards in Bestand oder Neubau scheint erst dann gerechtfertigt, wenn diese prioritären Defizite abgebaut wurden.

4.2 Die Realiät des Sozialen Wohnbaus in Österreich

Innerhalb des österreichischen Systems des geförderten Wohnbaus entspricht der kommunale Wohnbau der Gemeinde Wien, der in den letzten Jahrzehnten ebenfalls über die Wohnbauförderung finanziert wird, am ehesten der Zielsetzung eines Sozialen Wohnbaus:

Innerhalb des allgemeinen Wohnbauförderungs-Systems umfaßt die durch dieses begünstigte Nachfragergruppe keineswegs nur die unterste Einkommensschicht. Im Gegenteil: die Förderungseffekte gelangen mehrheitlich zu den Besserverdienenden, weil trotz der Wohnbauförderung die Wohnungsaufwands-Belastungen eher von diesen getragen werden können. Es findet also durch die Wohnbauförderung eine teilweise Umkehrung der Einkommensteuerprogression statt.

Aus dieser Sicht ist der Soziale Wohnbau also kein sozialer Wohnbau.

Gesamthaft bietet die österreichische Wohnbauförderung ein merkwürdiges Bild: die Wohnbauförderungs-Mittel werden mehrheitlich durch zweckgebundene Abgaben(-teile) des Großteils der Erwerbstätigen aufgebracht. Gleichzeitig ist durch die üblicherweise großzügigen Einkommensobergrenzen die überwiegende Mehrheit der Haushalte berechtigt, um Wohnbauförderung anzusuchen.

Etwas karikierend gezeichnet: Ein Förderungssystem, in dem die oberen drei Viertel die unteren drei Viertel subventionieren, grenzt an das Absurde - vor allem die um den Einkommensmedian liegende Hälfte der Haushalte würde versucht sein, ihre geleisteten Abgabenteile durch eine Inanspruchnahme der Förderungsmöglichkeit "wieder hereinzubekommen". Gleichzeitig ist der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zu den Nettoumverteilungseffekten hoch.

Ähnlich würde ein Förderungssystem aussehen, in dem die reichere Hälfte die ärmere subventioniert: auch hier würden sich um den Medianwert hohe Reibungs-(= Effizienz-)verluste ergeben, ohne daß sich nennenswerte Einkommensumschichtungen ergäben.

Tendenziell müßte sich jedes allgemeine Subventionsinstrument auf eine teilweise Kompensation der Extreme beschränken, d.i. zum Beispiel eine Stützung der ärmsten 25 % durch die reichsten 25 % der Haushalte (natürlich mit den erforderlichen Einschleifregelungen).

4.3 Abweichende Sekundärziele

Im Rahmen der österreichischen wohnungspolitischen Diskussion sind einige, eine primär soziale Ausrichtung des Sozialer Wohnbau verwässernde Ziele - ausgesprochen oder nicht - feste Bestandteile des Systems geworden:

Zusätzlich werden gelegentlich Maßnahmen des Sozialen Wohnbaus mit spezifischen Modellfunktionen wie: besondere infrastrukturelle Ausstattung (Sauna, Schwimmbecken,..) technologische Neuerungen (Solarenergie), anspruchsvollere technische Normen (Wärmedämmung) u.ä. befrachtet.

Auch diese überdurchschnittlichen Qualitätsmerkmale können - politisch - werbewirksam "vermarktet" werden.

Aus unvoreingenommener Sicht ist dabei jedoch immer zu fragen, ob diese Modelle verallgemeinert finanzierbar wären und wer tatsächlich in den Genuß der Vorzeigeprojekte kommt.

4.4 Objektförderung - Subjektförderung

Politische Forderungen im Sinne von: "Wir müssen verstärkt billige Wohnungen bauen" oder "Wohnen darf nicht mehr kosten als: ..." u.ä. sind grundsätzlich problematisch.

Wohnungen sind nie billig. Da auch geförderte Wohnungen zu Marktpreisen errichtet werden, können Wohnbaukosten i.w. nur durch Wohnflächen- oder Standardeinschränkungen reduziert werden. An beides ist jedoch mit obigen Forderungen nicht gedacht. Das Problem konzentriert sich daher auf die Frage, wer und in welchem Ausmaß die (Markt-)Kosten der Wohnungen tragen soll.

In Wahrheit ist also nicht der Wohnbau selbst "sozial", sondern die mit ihm verbundene Finanzierung, in deren Rahmen ein Teil der Kapitalmarktfinanzierungskosten - und u.U. auch ein Teil der Bau(-markt-)herstellungskosten - durch diverse Subventionsformen von der öffentlichen Hand übernommen wird.

Daraus folgt aber unmittelbar, daß die Schaffung durch Subventionen künstlich verbilligter Wohnungen von vorneherein ein ungeeignetes Mittel ist, um den Bedarf stützungsbedürftiger Nachfrager zu decken: ein Großteil des Subventionseffekts wird von (in sozialpolitisch gerechtfertigten Maße) nicht stützungsbedürftigen Haushalten in Anspruch genommen und dadurch die relative Situation der nicht zum Zuge gekommenen einkommensschwächsten Haushalte verschlechtert.

Die bei der Objektförderung implizierte Zusammenführung von verbilligtem Gut und bedürftigem Nachfrager ist in der Praxis in jedem Fall aufwendig und gelingt - vor allem bei Einschaltung von Förderungsvermittlern (d.s. die gemeinnützigen Bauträger) - nur schlecht.

Wesentlich zielgenauer sind Einkommensstützungen (z.B. Wohnbeihilfe), wie sie gegenwärtig nur in beschränktem Maße und ergänzend zur Objektförderung gewährt werden.

5. SCHLUSSFOLGERUNGEN

5.1 Bedarfsfestlegung

Die zunehmende Komplexität der Nachfragestruktur verhindert eine genaue Erfassung durch Außenstehende. Als flexibles Instrument der Bedarfsdeckung sollte daher ein knapp definierter Mindestwohnstandard als Bezugswert dienen, der durch einen die erforderlichen Spielräume abdeckenden Zuschlag zu ergänzen wäre.

So könnte etwa der Mindestbedarf eines Zwei-Personen-Haushalts mit einer Wohnfläche von 50 m2, jener eines Vier-Personen-Haushalts mit 80 m2 befriedigt werden. Die sich für diese Flächen bei sparsamer Planung ergebenden Herstellungskosten (von ca. S 750 000,- bzw. S 1,100 000,- / ohne MWSt) wären sodann um etwa 10 - 15 % zu erhöhen (auf ca. S 850 000,- bzw. S 1,250 000,-).

Mit diesem Zuschlag könnten wahlweise - oder teilweise auch kombiniert - z.B. folgende Zusatzbedürfnisse mitfinanziert werden:

Die spezifische Kombination dieser über den Grundbedarf hinausgehenden Zusatzleistungen könnte individuell erfolgen, indem entweder Kleingruppen konkret als Nachfrager auftreten oder Bauträger einen im Wege von Marktbeobachtungen erhobenen nachgefragten Qualitätsmix anbieten.

Da das Ziel des Sozialen Wohnbaus darin besteht, den Wohnungsstandard der untersten Bevölkerungsschichten an einen - höheren - akzeptablen Mindeststandard heranzuführen, sind überhöhte Ansprüche, die über die allgemein verbindlichen Richtlinien der Bauordnungen hinausgehen, fehl am Platz.

Von den Wohnungsnachfragern angebotene Eigenleistungen (planerischer, organisatorischer oder handwerklicher Art) sollten nach Maßgabe der Praktikabilität und der rechtlichen Möglichkeiten weitestgehend akzeptiert werden.

5.2 Optimierte Finanzierungssysteme

Ein echter Sozialer Wohnungsbau könnte in der Form von in kommunalem Eigentum stehenden Mietwohnungen sparsamer Planung erfolgen, deren Finanzierung über zinsenlose öffentliche Darlehen mit wertgesicherter Rückzahlung (real konstante Raten) erfolgen sollte.

Die Berechnung der Wohnungsmieten hätte in echt kostendecker Weise zu erfolgen. Mieter, die nicht über das für die Entrichtung dieser kostendeckenden Mieten erforderliche Einkommen verfügen, müßten durch Subjekthilfen (Wohnbeihilfe) unterstützt werden. Ein Mißbrauch des Systems durch Fehlförderung wäre damit weitgehend vermieden.

Die Förderung von sozialen Mietwohnungen würde demnach nur in einer relativen Subvention gegenüber den Kapitalmarktfinanzierungskosten bestehen. Ein Kaufkraftverlust der eingesetzten öffentlichen Mittel würde vermieden.

Die Förderung der Errichtung von Eigentumswohnungen und Eigenheimen könnte durch ebenfalls wertgesicherte, weitgehend zinsenlose Kapitalmarktdarlehen erfolgen.

Die Refinanzierung dieses Systems wäre durch einen komplementären Pensionsfonds zu ermöglichen.

5.3 Zusammenhang Arbeiten - Wohnen

Zum Abschluß scheinen einige über das eigentliche Thema hinausgehende Bemerkungen angebracht:

Die bisherigen Wohnbauförderungssysteme gehen davon aus, daß der nachfragende Haushalt über ein (oder mehrere) Einkommen aus einer (auch früheren) Erwerbstätigkeit verfügt. Damit wird das Recht auf einen gesellschaftilich normierten Mindestwohnstandard abhängig von einem anderen Lebensbereich, der gegenwärtig immer schärferen Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt ist und in der Zukunft noch weiter sein wird.

Schlagwörter wie Jugendarbeitslosigkeit, Rationalisierung, zunehmende Bedarfssättigung mit notwendigen Industriegütern, Verlagerung von Arbeitsplätzen in Länder mit niedrigerem Lohnniveau, Reduzierung des öffentlichen Personalaufwands, Frühpensionierung, etc. lassen erkennen, daß das Vollbeschäftigungsmodell ins Wanken geraten ist und in der traditionellen Form wohl auch kaum mehr wiedererstehen wird.

Damit ist aber eine teilweise Abkoppelung des Wohnbedarfs von seiner herkömmlichen finanziellen Grundlage in Sicht.

Läßt man andererseits Nicht-Erwerbstätige in die Obdachlosigkeit abgleiten, so entstehen stark segregierte Gesellschaften, wie sie gegenwärtig relativ ausgeprägt in Großbritannien und den USA zu beobachten sind.

Vor diesem - eher abschreckenden - Hintergrund müssen partielle und sektorielle Stützungsmaßnahmen (wie es Wohnbauförderung und Sozialer Wohnbau sind) zu einer allgemeinen Lebensgrundlagensicherung ausgeweitet werden.

Auf die Problematik der notwendigen Balance zwischen dieser und den für die Erhaltung des wirtschaftlich-gesellschaftlichen Systems erforderlichen Leistungsanreizen sei hier nur hingewiesen.

Eine ausführliche Darstellung dieser Themen findet sich in:

DONNER, Christian; "WOHNEN ... und was es kostet", 337 S. + Anhang