Die neue KESt - eine gerechte Besteuerung von Kapitalerträgen?


Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen wurde in diesen Tagen der Zinssatz für täglich fällige Spareinlagen (der ehemalige "Eckzinssatz") geändert und von 1,75 % auf 1,50 % gesenkt.

Andererseits hat hat die neue Bundesregierung vor kurzem eine Anhebung des Kapitalertragsteuersatzes (KESt) von 22 auf 25 % beschlossen.

Letzteres ist als Beitrag zur Budgetsanierung begrüßenswert; dem Prinzip der Steuergerechtigkeit (Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit) entspricht die gegenwärtige KESt-Form allerdings nicht.

Durch die endgültige Kapitalertragsbesteuerung in der Form einer Fixsatz-Quellensteuer auf Nominalzinsen werden die Auswirkungen der Inflationsrate nämlich nicht berücksichtigt.

Nominelle und reale Zinsen

Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen:

  1. Bei einem angenommenen nominellen Zinssatz von 6,00 % für eine Anleihe und einer Inflationsrate von 1,5 % beträgt die reale Bruttoverzinsung 4,43 %;
  2. Für ein Sparbuch zum neuen "Eckzinssatz" von nominell 1,50 % wird die reale Bruttoverzinsung gleich Null.

Im ersten Fall reduziert die KESt (neu: 25 %) den nominellen Nettoertrag auf 4,50 % und den realen auf 2,96 %. Der Steuersatz bezogen auf den Bruttorealertrag steigt auf 33 %.

Im zweiten Fall wird der nominelle Zinssatz von 1,50 % durch die KESt auf 1,13 % gedrückt. Dies entspricht einem realen Nettoverlust von - 0,37 %.

Weit höhere reale Steuersätze

Bezieht man die KESt statt auf die nominellen auf die realen Erträge, so steigt der reale Steuersatz mit fallenden Zinssätzen weit über den "offiziellen" Satz von 25 % an und erreicht bei einer Nominalverzinsung, die nur der Inflationsrate entspricht, den Wert unendlich (siehe Graphik 1).

Der damit verbundene Wertverlust des Kapitals, der vor allem den häufig zitierten "kleinen Sparer" trifft, ist aber einer Vermögensteuer gleichzusetzen und steht daher im Widerspruch zur Abschaffung derselben im Jahre 1994.

Alle diese Effekte werden bei höheren Inflationsraten - und damit Zinssätzen - noch wesentlich verschärft (siehe Graphik 2 mit den entsprechenden Verhältnissen bei einer Inflation von 4,0 %).

In der Praxis bedeutet dies u.a. zweierlei:

Für beide Effekte gibt es keine fiskalische, für den erstgenannten darüber hinaus keine soziale Rechtfertigung.

Gerechte(re) Auswege

Wie sollte eine Lösung dieser Widersprüche formuliert werden ?

Der logische Ausweg aus diesem Dilemma kann nur darin bestehen, daß als Steuerbemessungsgrundlage anstelle der nominellen die realen Zinserträge - allenfalls zu einem höheren Steuersatz - herangezogen werden, da die Inflationsabgeltung nur der Kaufkraftsicherung dient und kein tatsächliches Einkommen darstellt.

Auf diese Weise wäre demnach eine reale Wertsicherung deponierter Kapitalien für alle Einleger gesichert.

Der Zeitpunkt für die Einführung einer derartigen gerechteren Kapitalertragsteuer wäre gegenwärtig durch das ausgesprochen niedrige Inflationsniveau denkbar günstig.

Darüber hinaus müßte längerfristig auch das grundsätzliche Problem der Leistungsgerechtigkeit (nicht: Leistungsfähigkeit !) angesprochen werden: Zinserträgen steht im allgemeinen - abgesehen von etwaigen Risikoübernahmen - keine eigene Leistung des Kapitaleigners gegenüber. Im Sinne der Leistungsgerechtigkeit müßten daher in weiterer Folge die realen Zinserträge nahezu zur Gänze fiskalisch abgeschöpft werden.

Solange die implizit in den Zinssätzen enthaltenen Risikoprämien nicht getrennt ausgewiesen werden (können), wäre eine näherungsweise Lösung durch Festlegung eines wesentlich höheren KESt-Satzes (von 80 % ?) - allerdings nur auf die inflationsbereinigten Realerträge - zu erwägen.

Für eine längerfristige Einführung des letztgenannten Steuermodells wäre allerdings - um unerwünschte Kapitalabflüsse zu vermeiden - eine Abstimmung innerhalb der Europäischen Union anzustreben.