Öffentliche Hand und Wohnungsmarkt


Im nachstehenden Beitrag soll versucht werden, die Notwendigkeit einer Beeinflussung des Wohnungsmarkts und/oder einer Teilnahme an demselben durch die öffentliche Hand zu begründen und einzugrenzen, sowie die hiefür verfügbaren Instrumente nach ihrer Wirksamkeit und Effizienz zu bewerten.

Zu diesem Zweck scheinen Aussagen zu folgenden Teilbereichen erforderlich:

Abschließend werden die auf der Summe der vorgenannten Überlegungen aufbauenden Vorschläge des Verfassers dargestellt.

Die Funktion des Staates

Die öffentliche Hand als politische Struktur moderner Staaten vertritt nach außen die Interessen der Staatsbürger gegenüber anderen Staaten und sorgt im Inneren für einen Ausgleich zwischen den individuellen und Gruppeninteressen.

Die Form der Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgabe im Bereich der Wirtschaft schwankt zwischen dem Extrem des "Nachtwächterstaats", der lediglich die (Rechts-)Sicherheit der Bürger überwacht, ohne sozialpolitisch orientierte ökonomische Zielvorgaben zu entwickeln, und jenem anderen der zentralistischen Planwirtschaft, die, ausgehend von postulierten sozioökonomischen Zielen, diese unter Umgehung marktwirtschaftlicher Prozesse direkt anzusteuern versucht.

Beide Varianten müssen aus heutiger Sicht als ungenügend bezeichnet werden:

Die ledigliche Sicherung der Funktionsfähigkeit eines im übrigen völlig ungehemmten freien Markts durch den Staat führt zwar u.U. zu beschleunigter Kapitalakkumulation aber auch zu extremen sozialen Spannungen. In ihrer modernen Version unterstellt diese Anschauung, daß eine unbehindert funktionierende Wirtschaft indirekt auch eine effiziente Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Leistungen herbeiführt.

In letzter Konsequenz wird der Wirtschaft erste Priorität eingeräumt.

Als Antithese hiezu leidet die Verwirklichung sozialer und wirtschaftlicher Grundrechte mittels einer staatlichen Planwirtschaft an der psychologisch bedingten Schwierigkeit, nachhaltige Produktions- und Produktivitätssteigerungen ohne entsprechende materielle Kompensation zu erzielen, an der Unmöglichkeit, "von oben" die wahren Bedürfnisse der Bevölkerung zu bestimmen, an den enormen Reibungsverlusten der Umsetzung zentraler Planvorgaben und an dem Fehlen der Knappheitsanzeige der Ressourcen über marktmäßig determinierte Preise.

Die Fähigkeiten, über die jeder "homo oeconomicus" verfügt, werden unterdrückt.

Es wäre nun auch im Idealfall eines aufgeklärten Staates naiv, anzunehmen, daß dieser nur um das Wohl seiner Bürger besorgt ist. Jede Regierungs- und Verwaltungsstruktur entwickelt ebenso wie ihre einzelnen Funktionäre und Beamten einen Selbsterhaltungstrieb. Macht sucht ihren Bestand zu sichern. Dazu ist das Interesse der Umsetzungsorgane komplementär. Aus der Interessenlage dieser Machtkaskade ergibt sich sowohl eine tendenzielle Ausweitung staatlicher Einflußnahme als auch eine fortschreitende Aufstockung der personellen Besetzung (Parkinsonsches Gesetz), die einer numerischen Reduktion, auch nach einer Erfüllung ihrer Aufgaben, weitgehend widersteht.

Aus anderer Sicht ist das Verhältnis von Zielvorstellungen einer künftigen Entwicklung, die mehrheitlich innerhalb der Bevölkerung registriert werden können, zu jenen Zielen, die der jeweiligen Führungsschicht vorschweben, von Bedeutung.

Da menschliche Verhaltensmuster und daher auch Zielvorstellungen relativ konstant sind und - außer unter autoritärem Druck - nur langsamen Veränderungen unterliegen, stoßen Zielbestimmungen, die von den herrschenden Zuständen wesentlich abweichen, auf mehrheitlich starken Widerstand. Führungsschichten, die den Rhythmus einer für die Mehrheit nachvollziehbaren Entwickung übermäßig beschleunigen wollen, verlieren in demokratischen Gesellschaften ihre Legitimationsbasis.

Andererseits entstehen in Gesellschaften, die keine definierbare Entwicklungsrichtung kennen, Unsicherheit, Beliebigkeit und Antagonismen. Eine Beschränkung der Staatsführung auf die Umsetzung eines amorphen Mehrheitswillens tendiert zu statischem "Auf-der-Stelle-Treten".

Für ein demokratiepolitisch akzeptables Verhältnis zwischen Regierenden und Regierten scheint daher von größter Bedeutung, daß

Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Hand ist auf möglichste Effizienz zu dringen, um jenen Teil der volkswirtschaftlichen Produktion, der für staatliche Koordinierungs- und Kontrollfunktionen aufgewendet wird, auf ein Minimum zu beschränken. Als Leitbild einer derartigen bürgernahen Struktur hätte des Ideal eines "lean state" also eines leistungsfähigen, effizienten, aber ballastarmen Staates zu wirken.

Gesellschaftliche Grundziele

Eine Entscheidung gegen die beiden genannten extremen Wirtschaftssysteme und für ein z.B. als soziale Marktwirtschaft bezeichnetes konsensfähiges Wirtschaftssystem kann rationalerweise nur auf der Grundlage einer axiomatischen Zielvorgabe erfolgen, da auch die beiden Extreme theoretisch funktionsfähig sind. Für dieses Axiom bietet sich auf der Grundlage der bisherigen Entwicklung der Gesellschaftsgeschichte und unter Beschränkung auf rein materielle Aspekte etwa die Formel "Größtmöglicher Wohlstand bei größtmöglicher Gerechtigkeit" an.

Die beiden Ansprüche sind potentiell widersprüchlich: um die individuelle Leistungsbereitschaft maximal anzuspornen, scheint die Möglichkeit zur positiven materiellen Differenzierung vom gesellschaftlichen Durchschnitt gemeinhin unerläßlich. Die individuelle Aussicht auf relativen Reichtum bringt Produktivitätszuwächse für die Gesamtwirtschaft mit sich. Eine Gerechtigkeit im Sinne einer materiellen Gleichstellung wird hiedurch unmöglich gemacht.

Primäre materielle Unterschiede können durch familiäre Umstände, durch individuelle Begabung, Initiative, Beharrlichkeit und durch äußere Rahmenbedingungen bedingt sein.

Eine nachträgliche Uniformierung ursprünglich unterschiedlicher Lebensstandards über den Weg einer staatlichen Umverteilung würde den individuellen Leistungswillen lähmen und damit das gesamtwirtschaftliche Potential verringern.

Will die Gesellschaft daher eine maximale Approximation an das formulierte Doppelziel, so darf sie weder das Huhn der goldenen Eier schlachten, noch es zum reißenden Tiger mutieren lassen.

Die Synthese aus dem historischen Kampf zwischen den Extremen des Manchester-Liberalismus und des zentralstaatlichen Kommunismus scheint daher - aus der Sicht des Produzenten (des Arbeiters im weitesten Sinne) und des Konsumenten - eine des Grades:

Welches Verhältnis zwischen Höchst- und Mindesteinkommen scheint dem Durchschnittsbürger (oder der untersten ökonomischen Schicht) noch akzeptabel ?

Welches Verhältnis zwischen durchschnittlichen und Mindesteinkommen scheint der Bevölkerung - noch - angemessen ?

Über welches Einkommen müßte eine Person (ein Haushalt) mindestens verfügen, um ein "menschenwürdiges Leben" führen zu können ?

Eine Übereinstimmung der tatsächlichen Konsumpräferenzen der Nachfrager mit den vorgegebenen kann nicht gesichert werden. Zur laufenden Anpassung der determinierten Werte müssen diese (arbeitsaufwendigen) Erhebungen fortgeführt und/oder inflationär indexiert werden.

Offensichtlich müssen zur Definition jedes Armutsbegriffs aus den individuell empfundenen Bedürfnissen abgeleitete Mindestbedarfe destilliert werden, die aufgrund eines gesellschaftlichen Konsenses als verbindlich angesehen werden können. Diese sind immer Funktion des jeweiligen wirtschaftlichen Entwicklungsstandes und des herrschenden sozialen Bewußtseins.

Das Ziel einer sozialen Wohnungspolitik ist daher die Beseitigung der "Wohnungsarmut", das ist von Defiziten zwischen gesellschaftlich akzeptierten Mindeststandards und der realen Wohnraumversorgung.

Prinzipielle Annäherung an sozioökonomische Ziele

Eine Eingrenzung der ursprünglichen, von sozialpolitischen Vorgaben unbehinderten, unternehmerischen Freizügigkeit im kapitalistischen System ist im wesentlichen in folgenden Richtungen denkbar:

(Die Reihung entspricht etwa der zunehmenden Entfernung von rein kapitalistischen Rahmenbedingungen.)

Bewertungen von wohnungspolitischen Programmen und Maßnahmen können daher in dreierlei Hinsicht vorgenommen werden:

Wohnungspolitische Interventionsbereiche der öffentlichen Hand

Die wichtigsten Bereiche potentieller Eingriffe der öffentlichen Hand zur Steuerung und Beeinflussung des Wohnungsmarkts oder Teilnahme an ihm betreffen Grund und Boden, Wohnbaufinanzierung und Wohnungsproduktion, den öffentlichen und privaten Wohnungsbestand, sowie - auf der Nachfrageseite - die Einkommensverteilung.

Grund und Boden

Die jedem Staat zur Verfügung stehende Gesamtbodenfläche muß zur Vermeidung nachteiliger Konkurrenzsituationen den diversen Nutzungsnachfragern in ausgewogenem Maße zugänglich sein.

Angesichts der notwendigen Verfügbarkeit einer Grundstücksfläche für die Errichtung jeder Wohnung haben Eingriffe der öffentlichen Hand auf dem Bodenmarkt bedeutende Auswirkungen auf die Wohnraumversorgung der Bevölkerung.

Für eine Bewertung einer möglichen Marktbeeinflussung sind folgende wesentliche Aspekte zu beachten:

Die Nutzungsmöglichkeiten des Bodens werden durch klimatische Faktoren, die Bodenbeschaffenheit und die topographischen Eigenheiten mitbestimmt.

Der Bodenvorrat ist naturgegeben begrenzt und kann im Gegensatz zu allen anderen für die Wohnraumversorgung benötigten Gütern nicht produziert werden.

Die aus der historischen Tradition entwickelten Verfügungsrechte und Besitzstrukturen weisen ein großes Beharrungsvermögen gegenüber öffentlichen Eingriffen auf.

Die effektiven Nutzungsarten ergeben sich auf einem ungesteuerten Markt durch Konkurrenz der Nachfrager über die Bodenrente. Diese ist schließlich die Grundlage für die Bildung von Marktpreisen für Grund und Boden.

Wohnbaufinanzierung

Im Zusammenhang mit der Wohnraumnutzung ergibt sich ein Finanzierungsbedarf in zweifacher Form. Während der Bau- und Bauvorbereitungszeit ist eine - relativ kurzfristige - Zwischenfinanzierung erforderlich, die üblicherweise geringen Staatsinterventionen unterliegt. Diese Zwischenfinanzierungskosten stellen einen Bestandteil der gesamten Wohnungsproduktionskosten dar.

Wesentlich bedeutsamer ist die Langzeitfinanzierung für den späteren Nutzer einer (Neubau-)Wohnung, da im allgemeinen die Wohnungsnachfrager nur über einen geringen Teil der Gesamtproduktionskosten in liquider Form verfügen. Für sie stellt sich die Notwendigkeit einer Verteilung der Produktionskosten über einen längeren Zeitraum, damit die resultierenden laufenden Belastungen tragbar werden.

Auf dem Kapitalmarkt werden die für diese Langzeitfinanzierung einsetzbaren Darlehen üblicherweise mit fixen oder variablen Zinssätzen angeboten, die - mit erheblichen Schwankungen - der inflationären Entwicklung folgen. Diese Schwankungen sind für den Wohnungsnachfrager von herausragender Bedeutung: steigt etwa der geforderte Zinssatz eines Darlehens mit 25jähriger Laufzeit von 8 % auf 10 % pro Jahr, so erhöht sich die laufende Belastung der Kreditnehmers um rund 18 %.

Angesichts der verschiedenartigen Komponenten der Nominalzinsen ist dieses System in seinen realen Auswirkungen für den Kapitalnachfrager nur schwer durchschaubar.

Da die tatsächliche Inflationsrate nur im nachhinein festgestellt werden kann, ist die reale Zinsbelastung des Darlehensnehmers immer erst nach Tilgung der Schuld ermittelbar. Sie ergibt sich aus dem Barwert aller Zahlungen minus der Darlehenssumme.

Bei den heute registrierten Zinssätzen kann die reale Gesamtzinsbelastung ebenso hoch wie die Kreditsumme werden oder diese sogar übersteigen. Das heißt, daß die Gesamtbelastung für einen Wohnungsnachfrager, der den Erwerb einer Eigentumswohnung zur Gänze über den Kapitalmarkt finanzieren muß, rund doppelt so groß ist, wie jene eines Barzahlers.

Aus den angeführten Gründen ist es daher nicht überraschend, daß der Bereich der Wohnbaufinanzierung zu den bevorzugten Interventionsbereichen der öffentlichen Hand zählt.

Wohnungsproduktion

Anläßlich eines Wohnungsneubaus fallen Grundkosten, Bauherstellungskosten, Außenanlagenkosten, Baunebenkosten und - in den meisten Fällen - die Umsatzsteuer an. Im Rahmen des gegenwärtig üblichen mehrgeschoßigen Sozialwohnungsbau nehmen die Bauherstellungskosten einen Anteil von etwa 60 % bis 70 % der Gesamtkosten ein.

Diese Kosten sind eine Funktion von quantitativen (Wohnungsgröße) und qualitativen Vorgaben (Ausstattung). Sie sind zusätzlich abhängig von der jeweiligen Relation zwischen Angebotskapazität und der nachfrageabhängigen Auftragslage in der Bauwirtschaft. Weiterhin spielen produktivitätssteigernde Bautechnologien und der Auslastungsgrad des sektoriellen Arbeitsmarkts eine preisbildende Rolle.

Da eine privatwirtschaftliche Errichtung von Wohnbauten einerseits der preisdämpfend wirkenden Konkurrenz, andererseits den Gefahren preissteigernder oligopolistischer Angebotspraktiken ausgesetzt ist, sind mehrfach Versuche unternommen worden, die Bauherstellungskosten über Eigenleistungen der Wohnungsnachfrager, durch genossenschaftliche Produktion und Nachfragebündelung und auf dem Wege offizieller Preisvorgaben zu reduzieren.

Wohnungsbestand

Wohnungsnachfrage kann durch Wohnungsneubau oder innerhalb des vorhandenen Bestands befriedigt werden.

Bei konstanter Bevölkerung entspricht der Wohnungsneubau der Summe von den gestiegenden (quantitativen) Ansprüchen an verfügbare Wohnfläche und dem Wegfall vorhandener Wohnungen durch Abriß und Zusammenlegung, sowie durch Umwidmung in wohnungsfremde Nutzungen.

Eine zusätzliche Nachfrage durch eine steigende Bevölkerungszahl kann sowohl eine Ausweitung des Neubauangebots als auch eine Belagsverdichtung in bereits genutzten Wohnungen bewirken.

Der Umfang des Wohnungsneubaus in Österreich gegenüber dem Bestand läßt sich anhand der folgenden Zahlen veranschaulichen: einem Wohnungsbestand von rund 3,3 Mio. Einheiten steht eine Neubauleistung von (1990) rund 36 500 Wohnungen gegenüber, also etwas über ein Prozent des Bestandes pro Jahr. Im Verhältnis zur Bevölkerung bedeutet dies knapp 5 Wohnungen pro 1000 Einwohner und Jahr.

Der Nettozugang läßt sich aufgrund fehlender Daten für Wohnungsverluste nur näherungsweise ermitteln: Der Vergleich der Fertigstellungsmeldungen mit den Mikrozensus-Bestandsdaten ergibt eine Verlustquote von etwa einem Drittel des Neubauvolumens, sodaß nur zwei Drittel des letzteren als Nettozugang verbleiben.

Da der jeweilige Wohnungsbestand zum allergrößten Teil belegt ist, dient nur die momentane Leerstandsreserve neben dem Neubauangebot der Befriedigung der Wohnraumnachfrage. Dieser Leerstand befindet sich aufgrund des Generationentauschs und der Wohnsitzmobilität der Bevölkerung in ständiger, aber langsamer Umschichtung. Teile derselben werden allerdings nicht effektiv angeboten, sondern mittelfristig anderwärtig genutzt oder aus mietrechtlichen oder spekulativen Gründen gehortet.

Der für ein adäquates Funktionieren des Wohnungsmarkts erforderliche Mindestleerstand ist theoretisch nicht bestimmbar. Anhand von internationalen Erfahrungen wesentlich mobilerer Bevölkerungen scheint jedoch ein Anteil von etwa 3 % effektiv zugänglichen Leerwohnungen ausreichend.

Wesentliches Klassifizierungsmerkmal innerhalb des Wohnungsbestands ist das Verhältnis Eigentümer - Nutzer. Hinsichtlich des Eigentümers ist die Unterscheidung zwischen öffentlichem, gemeinnützigem und privatem Eigentümer wegen der damit verbundenen Freiheitsgrade der Mietengestaltung von Bedeutung.

Die öffentliche Hand kann die Mieten ihrer Wohnungen nach wirtschaftlichen Erwägungen und politischen Rücksichtnahmen frei festsetzen und Zugangsbeschränkungen bestimmen.

Gemeinnützige Unternehmen müssen das - für die Mieter nicht immer günstige - Kostendeckungsprinzip laut Entgeltsrichtlinienverordnung anwenden.

Der private Eigentümer von Altbaumietwohnungen ist offiziell an das Mietrechtsgesetz gebunden. Nur die zahlenmäßig noch wenig ins Gewicht fallenden freifinanzierten Neubaumietwohnungen können nach reinen Marktgesetzen vermietet werden.

Neben den Mietwohnungen, die eher im städtischen Bereich vorherrschen, finden sich bereits mehrheitlich Eigentumswohnformen: Eigentumswohnungen, die auf einer Kombination von exklusivem Nutzungsrecht an einer Wohnung und Miteigentum an dem gemeinsamen Baugrund beruhen, sowie Eigenheime, die ein uneingeschränktes Wohnungseigentum repräsentieren.

Da die Wohnung das längstlebige Konsumgut darstellt, ist der private Anbieter von Mietwohnungen einer hohen Verwertungsunsicherheit ausgesetzt. Sollten sich die rechtlichen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingugen nach dem Beginn der Verwertungsperiode wesentlich verändern, können seine Rentabilitätsberechnungen stark positiv oder negativ beeinflußt werden. Daher herrscht wegen der seit 1917 erlassenen Mietzinsbeschränkungen und der immer wieder neu formulierten Eingriffe der öffentlichen Hand in die privaten Verfügungsrechte eine nachhaltige Verunsicherung privater Investoren, die eine marktwirksame Teilnahme am Mietwohnungssektor in Österreich bisher verhindert. (Von allen 1989 fertiggestellten Mietwohnungen entfielen nur 14 % auf physische und 5 % auf juristische private Bauherren.)

Ob dies für den Wohnungsmarkt im allgemeinen oder die Wohnungsnachfrager im besonderen ein Nachteil ist, wird noch zu diskutieren sein.

Einkommenshöhe und -verteilung

Die dem Verständnis eines modernen Sozialstaats zugrundeliegende Mitverantwortung für eine angemessene Ausstattung seiner Bürger mit Gütern und Dienstleistungen erfordert eine Beobachtung der Mindesteinkommenshöhe in ihrem Verhältnis zu den Durchschnittseinkommen, bzw. zu dem postulierten Mindestwarenkorb (s.o.).

Grundsätzlich kann die Bresche zwischen "zu hohen" Preisen und "zu geringen" Einkommen durch Senkung ersterer oder durch Anheben letzterer überwunden werden.

Für die - scheinbare - Senkung von Marktpreisen privatwirtschaftlich erzeugter Produkte können entweder - explizite - öffentliche Subventionen eingesetzt oder öffentliche (Vor-)Leistungen ohne entsprechenden Marktpreis bereitgestellt werden (implizite Subventionen).

Unzureichende Individual- und Haushaltseinkommen können durch Transferzahlungen aus dem allgemeinen Steueraufkommen in ihrer Kaufkraft angehoben werden.

Über beide Formen ermöglicht der Staat dem Bürger einen erweiterten Marktzugang.

Nach dieser - sehr gerafften - Darstellung einiger Aspekte der wohnungswirtschaftlich relevanten Handlungsbereiche der öffentlichen Hand wird das wohnungspolitische Instrumentarium kritisch beleuchtet.

Bodenpolitische Instrumente

Finanztechnische Instrumente

Die Langzeitfinanzierung von Wohnbauten - sei es über die jeweiligen Bauträger, sei es direkt zugunsten der Nutzer - erfolgt unter marktwirtschaftlichen Bedingungen gegen die Entrichtung von Nominalzinsen, deren Höhe von der Inflationsrate, der relativen Nachfrage nach Kapital und den auch von der öffentlichen Hand beeinflußten Kreditmarkt-Rahmenbedingungen abhängen.

Schwankungen des Zinssatzes beeinflussen das finanzierte Bauvolumen in wesentlich stärkerem Ausmaß als es seine Veränderung erwarten ließe (s.o.).

Welche Instrumente stehen theoretisch zur Verfügung, um die Zinsbelastung des Nachfragers zu senken ?

Instrumente zur Beeinflussung der Wohnungsproduktion

Das grundsätzliche Ziel jeder Intervention der öffentlichen Hand auf dem Gebiet der Wohnungsproduktion besteht in einer Kostenreduzierung derselben. Da eine Kostenkomprimierung der Baumaterialien selbst sehr weitreichende Einflußnahmen in den industriellen Produktionsapparat erfordern und eine Lohnkompression sozialen Gesichtspunkten widersprechen würde, scheint zunächst eine Beschränkung oder Eliminierung des (Bau-)Unternehmergewinns am ehesten erfolgversprechend.

Zusammenfassend kann für den Bereich der Wohnungsherstellung angemerkt werden, daß ihre Kosten vom jeweiligen Bauträger weitgehend unabhängig sind. Sie sind hauptsächlich eine Funktion der jeweiligen technisch-zivilisatorischen Standards, die ihrerseits auf dem gesamtwirtschaftlichen Wohlstand basieren.

Eine scheinbare Kosteneinsparung durch Eigenleistung der Wohnungswerber mag zwar ihren Selbstverwirklichungsbedürfnissen entsprechen; bei einer marktmäßigen Bewertung der Eigenleistung wird ein Einsparungseffekt kaum festzustellen sein. Dennoch hat der Ersatz von Kapital durch Arbeit (sweat equity) seine Berechtigung, wenn die Aufbringung des sonst zusätzlich erforderlichen Kapitals nicht möglich ist.

Bestandsorientierte Interventionsinstrumente

Da der Gesamtwohnungsbestand nicht nur räumlich sondern auch sektoriell fragmentiert ist, muß zwischen Instrumenten, die den privaten und solchen, die den öffentlichen Wohnungsbestand betreffen, unterschieden werden.

Privater (Miet-)Wohnungsbestand

Öffentlicher Mietwohnungsbestand

Eine Marktintervention über einen öffentlichen Mietwohnungsbestand bietet direktere Zugriffsmöglichkeiten:

Eine kritische Bewertung dieser Varianten ergibt folgende Befunde:

Einkommenspolitische Instrumente

Weniger als die Hälfte aller Österreicher ist erwerbstätig.

Der größere Teil der Bevölkerung (Kinder, Schüler, Studenten, Präsenzdiener, Hausfrauen und Hausmänner, Arbeitslose und Pensionisten) wird von den Erwerbstätigen erhalten.

Die Systeme zur Umsetzung dieser materiellen Transfers sind vielfältig: zum wesentlichen Teil beruhen sie auf dem familiären Zusammenhalt, der - noch immer - die Fürsorge für eigene Kinder und z.T. auch Eltern selbstverständlich scheinen läßt. Zum anderen besteht eine Vielzahl von staatlichen Einrichtungen der Existenzsicherung, die über Steuern und Sozialabgaben gespeist werden und dem Einzelnen teils in Funktion seiner künftigen oder bisherigen Erwerbstätigkeit, teils unabhängig von dieser einen grundsätzlichen Anspruch auf Lebensunterhalt gewähren.

Manche dieser Systeme (z.B. Pensionsrecht) basieren z.T. auf der Fiktion "wohlerworbener Rechte", obwohl diese - in ihrem Ausmaß - direkt keiner eigenen Leistung zugeordnet werden können und eher auf politischen Entscheidungen beruhen.

Andere, deren Sozialcharakter evident ist (z.B. Sozialhilfe), gehen von einem Zustand der Bedürftigkeit aus. Dieser bringt jedoch den Status eines Bittstellers mit sich, der im Prinzip entwürdigend ist und deshalb - und aus Unwissenheit - gelegentlich zum Verzicht auf diese Sozialrechte führt.

Zweckspezifische Einkommensstützungen, wie z.B. die Wohnbeihilfen, binden den laufenden öffentlichen Zuschuß an die Nutzung einer geförderten Wohnung und an Familieneinkommensgrenzen. Nutzer privater Mietwohnungen sind von diesen Zuschüssen ausgeschlossen, da anderenfalls ein zusätzlicher Auftrieb des privaten Mietzinsniveaus befürchtet wird.

Die psychologische Ausgrenzung eines Teils der Bevölkerung als unproduktive Esser führt zu starken sozialen Spannungen. Diese werden durch eine absehbare zunehmende Freisetzung von traditionellen Erwerbstätigen in einer hochtechnologiserten Wirtschaft noch verschärft werden.

Der gegenwärtige wirtschaftliche Entwicklungsstand Österreichs, der es zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt macht, würde erlauben und ein zeitgemäßes gesellschaftliches Bewußtsein würde empfehlen, diese zahlreichen spezifischen "Bedürftigkeitsausgleichsmaßnahmen" zu einem Grundanspruch auf eine Staatsbürgereinkommen zusammenzufassen, das grundsätzlich jedermann ein bescheidenes, aber für die Gesellschaft gesamthaft akzeptables Leben sichert.

Vorschläge

  1. Leistungsfreie reale Wertzuwächse an privaten Grundstücken sind zur Gänze an den öffentliche Haushalt abzuführen.

    Damit würde spekulativen Transaktionen mit Liegenschaften weitgehend der Boden entzogen.

    Als vorbereitender Schritt wäre eine generelle Abzonung auf Mindestnutzungswerte vorzunehmen, die noch keine Kompensationsforderungen der Grundeigentümer an die zuständige Gemeindeverwaltung auslösen können.
  2. Um eine Umgehung der Abschöpfung von Grundstückwertsteigerungen zu verhindern, wäre für sämtliche Transaktionen ein unbeschränktes Eintrittsrecht zugunsten der öffentlichen Hand zu schaffen. Dieses käme im Falle offensichtlich marktwertunterschreitender Entgeltsvereinbarungen zur Anwendung.

    Eine Veräußerung an beliebige Erwerber zu Marktpreisen würde dadurch nicht unterbunden.
  3. Für jedes in Nutzung stehende Grundstück - auch das durch den Eigentümer selbst genutzte - ist ein Bodenzins zu entrichten, der dem öffentlichen Haushalt zufällt und Funktion des lokalen Grundpreises ist. Dieser Bodenzins entspricht den realen Nettozinsen für veranlagtes Geldkapital.
  4. Für die Finanzierung von Wohnungsneubauten, -umbauten und -modernisierungen sollte anstelle der bisherigen Wohnbauförderung ein subventionsfreies aber werthaltiges Darlehenssystem instrumentiert werden, das auf indexierten Raten beruht und von Risikozuschlägen weitgehend zu befreien ist.

    Als Grundkapital für dieses Finanzierungssystem könnten die Beträge privater Pensionsfonds herangezogen werden, die zinsenlos, aber mit staatlicher Wertsicherungsgarantie deponiert würden und langfristig zur Verfügung stehen.

    Diese Wohnbaufonds könnten sowohl komplementär im Rahmen der bestehende Kreditinstitute administriert als auch über eine staatliche Wohnbaukasse implementiert werden. In diesem System könnten die bestehenden Bausparkassen aufgehen.
  5. Der Erwerb von Wohnungseigentum soll nicht behindert werden. Seine Realisierung würde durch das genannte Finanzierungssystem weitgehend ermöglicht und entspricht sowohl dem mehrheitlichen Wunsch der Wohnungsnachfrager als auch einer wirksamen Bestandssicherung durch die stärkere Identifikation der Nutzer mit ihrem Gebäude.

    Für Mietwohnungsnachfrager - insbesondere, aber nicht ausschließlich für die wirtschaftlich Schwächeren unter ihnen - sollte in größeren Städten und Gemeinden ein kommunaler Wohnungsbestand offenstehen, der ausreichend groß sein müßte, um im Prinzip jedem Wohnungsnachfrager eine Alternative zum freien Mietwohnungsmarkt zu bieten.

    Dieser öffentliche Mietwohnungsbestand wäre nach echten Kostendeckungsgrundsätzen zu verwalten. Die auf diesen beruhende Mietenberechung müßte eine Wertsicherung und einen Präferenzfaktor für Neubauwohnungen gegenüber älteren Jahrgängen enthalten.

    Ein derartiges öffentliches Alternativangebot wäre ein wesentlich wirksameres Marktkorrektiv gegen überhöhte Mieten als jedes noch so stringente Vorschriftenbündel.
  6. Im Sinne einer gesellschaftlich konzertierten Existenzsicherung für jedermann sollte allen Staatsbürgern ein Grundeinkommen gesichert werden, das aus praktischen Gründen mit einem Prozentsatz der durchschnittlichen Einkommen festgelegt werden könnte. Zur Kontrolle wäre zu prüfen, ob in dessen Betrag die kostendeckende Miete, die einer Wohnung innerhalb der zweiten Hälfte ihrer Nutzungsdauer entspricht, ausreichende Deckung findet.

    Dieses Grundeinkommen wäre durch Einschleifregelungen derartig zu gestalten, daß individuelle Leistungsanreize zur Erzielung zusätzlicher Erwerbseinkommen und individuelle Sparanreize zum Aufbau eines später verfügbaren privaten Kapitals nicht unterdrückt würden.
  7. Die Mietwohnungsbestände der bestehenden gemeinnützigen Wohnungsunternehmen sollten in das kommunale Eigentum übergeführt werden. Ihre Verwaltung, sowie jene von Eigentumswohnungen, könnte - unter marktwirtschaftlichen Bedingungen - weiterhin diesen Unternehmen übertragen werden.
  8. Ein künftiges Mietrecht könnte sich demnach angesichts der direkten Marktbeeinflussung durch das Konkurrenzangebot des öffentlichen Mietwohnungsbestands hinsichtlich der Miethöhe auf eine Indexierung und im übrigen vor allem auf den Schutz vor Änderungskündigungen beschränken.

Eine derartige Wohnungspolitik beruht somit grundsätzlich auf dem notwendigen Zusammenwirken von