Wohnungsgemeinnützigkeit und Marktwirtschaft

Situationen und Tendenzen in der EU

Ähnlich den globalen Entwicklungstendenzen zeigen sich auch innerhalb der Europäischen Union Bestrebungen, staatliche Funktionen auf ein Minimum zu reduzieren und weitestgehend privaten Institutionen zu übertragen. Damit sollen Ineffizienzen des öffentlichen Sektors beseitigt werden.

Auf diesem Hintergrund scheint es von Interesse, die Ausprägungen der Wohnungsgemeinnützigkeit (1) in einigen Ländern der EU knapp darzustellen, um die Bedeutung und Wirkungsweise dieser Institutionen nachzuzeichnen, die vor allem als Bauträger und Wohnungsverwalter sogenannter "Sozialwohnungen" agieren.

Zu diesem Zweck werden zunächst in Tab. 1 die Wohnungsbestände gemeinnütziger Wohnungsunternehmen in den Länder Österreich, Belgien, Dänemark, Deutschland, England, Frankreich und Niederlande nach ihrem absoluten Umfang und nach ihren relativen Anteil, sowohl am gesamten Wohnungsbestand als auch an den Mietwohnungen wiedergegeben (diverse Quellen, letztverfügbare Zahlen, gerundete Werte).


Tab. 1: Wohnungsbestände Gemeinnütziger Unternehmen

Land Wohnungsbestand insgesamt, absolut in 1.000 WE Wohnungsbestand GWU, absolut in 1.000 WE Anteil am Gesamtwohnungs-
bestand, in Prozent
Anteil am Mietwohnungs-
bestand, in Prozent
Österreich 3.100 425 14 36
Belgien 4.000 250 6 19
Dänemark 2.400 430 18 45
Deutschland 28.400 2.500 9 17
England 20.200 850 4 13
Frankreich 22.500 3.300 15 38
Niederlande 6.300 2.300 37 74



Ein Blick auf die obenstehenden Relativwerte zeigt, daß die Marktbedeutung der Bestände gemeinnütziger Wohnungsunternehmen starkt schwankt. Sehr geringe Bestände in Belgien und England stehen einem extrem hohen Marktanteil in den Niederlanden gegenüber. Österreich nimmt hinsichtlich der Bedeutung gemeinnütziger Wohnungsunternehmen eine mittlere Rolle ein.

Im folgenden soll versucht werden, die Eigenheiten der Rechtsformen, die hier unter dem Begriff der Gemeinnützigkeit zusammengefaßt werden, in den genannten Ländern näher zu beleuchten.

Österreich

Die gemeinnützigen Bauvereinigungen Österreichs haben sich aus zwei Wurzeln entwickelt: den Genossenschaften als urspünglichen Selbsthilfegruppen und den (Kapital-)

Gesellschaften, die zur Umsetzung staatlicher Wohnungspolitik gegründet wurden. Heute gehören von 210 gemeinnützigen Bauvereinigungen je rund die Hälfte den beiden Rechtsformen an. Allerdings unterscheiden sich die von ihnen verwalteten Mietwohnungsbestände nach ihrer Größe (die Verwaltung späterer Eigentumswohnungen und von Fremdbauten bleibt hier ausgeklammert): während Genossenschaften im Durchschnitt rund 1.660 eigene Mietwohnungen verwalten, beträgt dieser Wert für die Kapitalgesellschaften 2.580 Mietwohnungen.

Die Bautätigkeit dieser Unternehmen war auf der zunächst ausschließlichen, später bevorzugten Zuteilung von Wohnbauförderungsmitteln für den Mehrgeschoßbau begründet. Diese ermöglichten, verbunden mit Eigenmitteln des Wohnungswerbers und ergänzenden Kapitalmarktmitteln eine Tätigkeit als Bauträger nahezu ohne Eigenkapital.

Eine Besonderheit der österreichischen gemeinnützigen Bauvereinigungen stellen die ebenfalls geförderten Eigentumswohnungen dar, die zusätzlich zu Mietwohnungen errichtet und später an die Wohnungswerber übertragen werden. Dabei verbleibt die Verwaltung dieser Wohnungen häufig bei den errichtenden Unternehmen. Dadurch ist der Verwaltungsumfang der gemeinnützige Bauvereinigungen gegenwärtig um etwa 50 % größer als der Bestand an eigenen Mietwohnungen.

Für die Bewirtschaftung dieser Mietwohnungen unterliegen alle Rechtsformen der gemeinnützigen Bauvereinigungen den Bestimmungen der Entgeltsrichtlinienverordung, die zusammen mit dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz 1979 die gesetzliche Grundlage der Wohnungsgemeinnützigkeit in Österreich darstellt.

Das Entgelt einer Mietwohnung enstpricht laut diesen Bestimmungen im Prinzip einer Kostenmiete, d.h. daß alle laufend anfallenden Aufwendungen für Kapitaldienst, Betriebskosten und Instandsetzung auf die Gesamtheit der Mieter jedes Objekts umgelegt werden. Allerdings haben sich im Laufe der Zeit eine Reihe von kostenüberdeckenden Elementen herausgebildet, die von den Unternehmen dazu benützt wurden erhebliche Eigenkapitalien aufzubauen, vor allem in der Form der sehr umfangreichen Wohnungsbestände.

Obwohl es für die Zuteilung einer Wohnung des gemeinnützigen Sektors - relativ großzügige - Einkommensgrenzen gibt, werden diese nur bei Bezug der Wohnung überprüft. Eine überdurchschnittlich positive Entwicklung des Haushaltseinkommens der Bewohner über diese Grenzen hinaus oder ein Verbleiben eines schrumpfenden Haushalts in einer dann "zu groß" gewordenen Wohnung führt zu Phänomenen der Fehl- und Unterbelegung, aber zu keinen rechtlichen oder finanziellen Konsequenzen.

Einige negative Vorfälle der letzten Jahre, die ihre Ursache nicht zuletzt in der Verquickung (spekulativer) privatwirtschaftlicher mit gemeinnützigen Wirtschaftsregeln hatten, haben innerhalb und außerhalb des Gemeinnützigkeitswesens zu Überlegungen geführt, ob und wie ein allfälliger Ausstieg einzelner Unternehmen aus der Rechtsform der Gemeinnützigkeit wünschenswert oder zulässig sei.

Belgien

Die Bedeutung gemeinnütziger Wohnungsunternehmen in Belgien ist, wie die obige Tabelle erkennen läßt, eher gering. Da die Wohnungspolitik in Belgien im Zuge der politischen Regionalisierung weitgehend den drei Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel übertragen wurde, verfügen diese über die Zuteilung von Förderungsmitteln usw. Außerdem werden gemeinnützige Wohnungsunternehmen üblicherweise von Vetretern der Region, der Provinzen und der Gemeinden geführt, sodaß eine weitgehende Interessenidentität gesichert ist. Jede Region verfügt über eine übergordnete Aufsichts- und Kontrollgesellschaft. Insgesamt bestehen rund 270 gemeinnützige Wohnungsunternehmen mit leicht fallender Tendenz.

Die Bedeutung und Marktwirksamkeit dieser Unternehmen ist nicht nur angesichts ihres geringen Bestands relativ beschränkt, sondern auch durch die seit den 1980er Jahren stark rückläufige Neubautätigkeit, die nur in Flandern durch ein Sonderwohnbauprogramm (Domus Flandria mit 10.000 Wohnungen) in den Jahren 1992-94 unterbrochen wurde.

Die Bewirtschaftung der Wohnungsbestände dieser "Societés Immobilières de Service Public" orientiert sich an zwei Kriterien: einerseits muß das jährliche Budget jedes Unternehmens ausgeglichen sein, andererseits wird die Miete als Funktion des Haushaltseinkommens der Mieter festgelegt. Dabei darf die Miete üblicherweise 20 % des Einkommens nicht übersteigen. Diese individuell festgelegte Miethöhe ist als Alternative zu der in Belgien (fast) nicht existierenden Wohnbeihilfe zu sehen.

Daraus ergibt sich, daß die vermietenden Unternehmen ein wirtschaftliches Interesse daran haben, nicht zu viele einkommensschwache Haushalte aufzunehmen. Die offiziellen Obergrenzen liegt etwa in der Höhe der Medianeinkommen. Haushalte, die diese später überschreiten, könnten theoretisch aufgefordert werden, die Wohnung freizugeben. Dies wird jedoch von den Unternehmen kaum eingefordert, da sie an der Erhaltung einer akzeptablen sozialen Mischung und an den höheren Mieten dieser Haushalte interessiert sind.

Die Gemeinden haben üblicherweise das Recht, für 15 % der freiwerdenden Wohnungen Mieter zu benennen. In letzter Zeit verschärfen sich die Interessengegensätze zwischen den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und den lokalen Behörden, die ihnen "problematische" Haushalte zuweisen wollen (sozial instabile Personen und auch Immigranten), die diesen Sektor sukzessive in die Rolle eines "Residualversorgers" für jene drängen würden, die in anderer Form auf dem Wohnungsmarkt nicht oder nur schlecht unterzubringen sind.

Dänemark

Der gemeinnützige Wohnungssektor ist in Dänemark ziemlich stark ausgeprägt, während ein kommunaler Wohnungsbestand kaum existiert. Die insgesamt rund 650 Wohnungsunternehmen werden etwa zur Hälfte direkt von den Gemeinden kontrolliert. Ein etwas geringerer Teil wurde als Kooperative durch Anteilseigner gegründet. Der Wohnungsbestand verteilt sich ebenfalls etwa zu gleichen Teilen auf diese Hauptformen der Gemeinnützigkeit.

Angesichts des sehr hohen Anteils an Wohnungseigentümern von etwa zwei Dritteln aller Haushalte, ist der gemeinnützige Wohnungsbestand etwa gleich groß wie jener der privaten Mietwohnungen.

Die Wohnungen dieser Unternehmen waren von Anfang an nicht für bestimmte Einkommensschichten vorgesehen. Sie werden daher auch nicht als Sozialwohnungen, sondern als "geförderte Wohnungen" bezeichnet. Prinzipiell steht jedermann das Recht zu, eine solche Wohnung zu beziehen. Allerdings werden Familien mit Kindern und Alleinerzieher/Alleinerzieherinnen bevorzugt aufgenommen. Darüber hinaus wird der Umzug von Mietern innerhalb von Wohnanlagen vorrangig ermöglicht.

Für ein Viertel aller Wohnungen der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen haben die Gemeinden ein Belegungsrecht.

Die Qualität dieser Wohnungsbestände ist überdurchschnittlich hoch. Sie zeichnen sich in der Regel darüber hinaus durch vielfältige ergänzende Einrichtungen lokaler Infrastruktur aus.

Eine forcierte Industrialisierung des Wohnbaues nach 1945 führte zur Errichtung sehr großer Wohnanlagen, die nach 1970 auf zunehmenden Widerstand der Nutzer stießen. Als Reaktion darauf wurden die Vorfertigungssysteme für den Einsatz bei kleinteiligen und niedrigen Bauformen erfolgreich umgestaltet.

Aufgrund zunehmender Marktsättigung und auch eingeschränkter öffentlicher Budgetmittel fiel die jährliche Produktion neuer Wohnungen in diesem Sektor von rund 10.000 WE zu Beginn der 1990er Jahre auf nur mehr 3.000 WE nach 1995.

Die Finanzierung des Wohnungsneubaues erfolgt ausschließlich über den Kapitalmarkt in der Form von Hypothekardarlehen, die durch langfristige Pfandbriefe refinanziert werden. Die Subvention der öffentlichen Hand erfolgt als Baukostenzuschuß der Gemeinde. 2 % der Baukosten werden von den Mietern als rückzahlbare Einlage beigesteuert.

Abweichend vom Prinzip der reinen Kostenmiete werden für ältere Wohnungen die Kapitalkostenanteile nach deren Tilgung weitere eingehoben, wodurch sich langfristig Kostendeckungsüberschüsse ergeben.

Trotz des unmittelbaren Gewinnentfalls ergeben die hohen Standards im Wohnbau und der umfassende Einsatz von Kapitalmarktmitteln relativ hohe Mieten, die aber mit einem gut ausgebauten Wohnbeihilfensystem auf ein auch für einkommenschwächere Haushalte tragbares Niveau gebracht werden. Für Pensionistenhaushalte wird der zumutbare Wohnungsaufwand weiter abgesenkt.

In letzter Zeit haben sich Vermietungsschwierigkeiten in einigen Wohnanlagen ergeben, die wegen ihrer isolierten Lage und wegen ihrer Bewohnerstruktur stigmatisiert wurden, obwohl die Wohnungen durchaus zeitgenössischen Standards entsprechen.

Eine dänische Besonderheit stellt die sehr weit entwickelte Mietermitbestimmung dar, die schrittweise ausgebaut wurde und mittlerweile für sämtliche Wohnanlagen des Landes eine Mehrheit der Mietervertreter in der (Selbst-)Verwaltung vorsieht.

Deutschland

Die deutsche Wohnungsgemeinnützigkeit hat sich ähnlich wie die österreichische entwickelt. Das 1940 für das gesamte Dritte Reich beschlossene Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz hatte ebenso wie in Österreich lange über das Kriegsende hinaus Gültigkeit und wurde erst durch das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz 1969 abgelöst.

Die Förderungsbestimmungen der Wohnungsbaugesetze der BRD sahen keine rechtliche Unterscheidung der Bauträger vor: sowohl private Personen und Institutionen als auch gemeinnützige Wohnungsunternehmen konnten Förderungen beantragen. Allerdings galten die Belegungs- und Miethöhebindungen für private Investoren nur während der Laufzeit der Förderung, während sie im gemeinnützigen Sektor unbegrenzt gültig waren. De facto wurde aber der Großteil des geförderten Geschoßwohnungsbaues über gemeinnützige Bauträger realisiert.

Die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen waren an der umfangreichen Ausweitung des deutschen Wohnungsbestands von 10,0 Mio WE im Jahre 1950 auf 25,4 Mio WE im Jahre 1980 wesentlich beteiligt. An hervorragender Stelle in diesem Sektor stand die gewerkschaftseigene Unternehmensgruppe "Neue Heimat", die bis zu 400.000 Mietwohnungen bewirtschaftete und rund die Hälfte aller Wohnungseigentumsanlagen errichtete.

Durch Mißwirtschaft geriet jedoch die "Neue Heimat" Mitte der 1980er Jahre in eine Krise, die auch durch massive Notverkäufe aus dem Bestand nicht mehr abgewendet werden konnte. Die massive Überschuldung führte letztlich zur Auflösung der Unternehmensgruppe.

Diese und andere negative Erscheinungen im gemeinnützigen Sektor haben seine Notwendigkeit für die Bevölkerung grundsätzlich in Frage gestellt. In Verbindung mit den allgemeinen Liberalisierungsbestrebungen der Bundesregierung wurde schließlich mit Wirkung vom 1.1.1990 das deutsche Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz aufgehoben. Lediglich Wohnbaugenossenschaften können sich weiterhin an dessen Regeln halten.

Die früher gemeinnützigen Wohnungsunternehmen waren nun aller Bindungen ledig, wurden aber wie alle Unternehmen steuerpflichtig. Dabei wurden sie durch ihr umfangreiches, noch nicht abgeschriebenes Realkapital auf viele Jahre hinaus begünstigt.

Somit sind die Mieten in diesen Beständen nicht mehr von Rechtsvorschriften, sondern von der Interessenlage der Unternehmen abhängig: solche, die direkt von Gemeinden oder Ländern kontrolliert werden, können weiterhin das Prinzip der Kostendeckung einhalten; jene, die privatwirtschaftlich motiviert sind, können Marktmieten anstreben oder auch ihre Bestände abverkaufen und das erlöste Kapital in anderen Wirtschaftbereichen einsetzen.

Als Folge dieser Neuorientierung ist der Bestand der rund 1.800 früheren gemeinnützigen Wohnungsunternehmen von 3,4 Mio WE Ende der 1980er Jahre ständig und rasch zurückgegangen - mit weiter fallender Tendenz. Alle Bauträger wurden dazu ermuntert, ihre Förderungsdarlehen vorzeitig zurückzuzahlen und nach einer vorgeschriebenen Nachwirkungsfrist ihre Mietwohnungen als Eigentumswohnungen zu verkaufen. Damit sollte der im internationalen Vergleich sehr niedrige Wohnungseigentumsanteil in Deutschland angehoben werden.

England

Die englische Wohnungspolitik hat dem gemeinnützigen Bereich nur geringe Bedeutung beigemessen: der weitaus überwiegende Teil der Mietwohnungen, die nicht im Eigentum Privater stehen, sind öffentliche (kommunale) Wohnungen. Diese Bestände des council housing sind während der Regierung Thatcher massiv unter Druck geraten. Vor allem das 1980 eingeführte und mit erheblichen Preisabschlägen kombinierte Kaufrecht für Mieter von Gemeindewohnungen hat den öffentlichen Wohnungsbestand in Großbritannien um mehr als ein Fünftel (rund 1,5 Mio WE) reduziert.

Den im Vergleich hierzu wesentlich kleineren gemeinnützigen Wohnungsektor stellen die rund 2.500 Wohnbauvereinigungen (housing associations) dar, die bis 1972 Kostenmieten verrechneten. Seither müssen sie das Prinzip der fair rents anwenden, d.h. von angemessenen Mieten, die etwa 20 % des Haushaltsnettoeinkommens betragen.

Die housing associations werden von der 1964 gegründeten Housing Corporation kontrolliert und mit Baukostenzuschüssen gefördert. Das Wohnungsgesetz 1974 hat die Rolle der gemeinnützige Wohnungsunternehmen bekräftigt und ihre Finanzierung über die Housing Corporation ausgeweitet.

Die Bewohner dieser Wohnungen gehören zu den Ärmsten der Bevölkerung. Drei Viertel aller Haushalte können die Kostenmieten nicht selbst tragen und werden durch eine Wohnbeihilfe (housing benefit) unterstützt. Da diese Bauträger aus der Tradition der Wohltätigkeitseinrichtung stammen, sind viele von ihnen für bestimmte Bevökerungsgruppen reserviert.

Das 1980 beschlossenen Kaufrecht für Bestandsmieter galt auch für die Mieter der housing associations. Über 80.000 von ihnen haben davon in den 1980er Jahren - mittels Darlehen, die von der Housing Corporation bereitgestellt wurden - Gebrauch gemacht.

Obwohl der Anteil der Bauvereinigungen am gesamten Wohnungsbestand noch gering ist, übersteigt ihr Neubauanteil bereits jenen der Gemeinden.

Da viele gemeinnützige Bauvereinigungen sehr klein sind, wird die Verwaltung der Wohnungen erschwert und verteuert. Deshalb sind zahlreiche Fusionsbestrebungen im Gange. Andererseits sind die housing associations durch ihre geringe Größe auch flexibler als die städtischen Wohnungsämter und können besser kleine innerstädtische Bauprojekte realisieren. Diese Bauvereinigungen haben auch meist einen engeren Kontakt zu ihren Mietern, die allerdings keine Mitbestimmungsrechte haben.

Doppelt kritisch sind die Auswirkungen der typischen Bewohnerstruktur in diesem Sektor: einerseits versuchen die housing associations, die Wohnungskosten durch Qualitätseinsparungen und geringe Nutzflächen zu reduzieren, andererseits enstehen durch die einseitige Belegungspolitk deutliche Segregationstendenzen mit der Gefahr der Slumbildung.

Frankreich

Die französische Wohnungspolitik hat dem gemeinnützigen Wohnungssektor große Bedeutung beigemessen. Aufbauend auf Vorläufern, die bis in das 19. Jh. zurückreichen, haben die (sociétés d') habitations à loyer modéré / HLM mit umfangreicher staatlicher Unterstützung den absolut größten gemeinnützigen Wohnungsbestand in Europa aufgebaut.

Das System der HLM umfaßt gegenwärtig rund 900 Gesellschaften, die in vier Rechtsformen untergliedert sind: öffentliche, aktienrechtliche, genossenschaftliche und kreditrechtliche. Die ersten beiden Gruppen sind mit je rund 300 Gesellschaften wesentlich umfangreicher. Weitere 350 gemischte Gesellschaften haben sich den HLM-Regeln unterworfen.

Die Notwendigkeit, den bei Kriegsende stark überalteten und schlecht ausgestatteten Wohnungsbestand zu erweitern und sukzessive zu ersetzen, führte zur Priorität für Großsiedlungen in industrieller Bauweise, die vor allem in Randlagen, mit geringer architektonischer Qualität und oft ohne ausreichende lokale Infrastruktur errichtet wurden.

Mitte der 1970er Jahre zeigte sich jedoch, daß viele der neuerrichteten Wohnungen in ungünstigen Lagen nicht mehr angenommen wurden.

Die Finanzierung und Förderung der HLM wurde mehrfach abgeändert, wobei zunächst der Staat selbst als Darlehensgeber auftrat und später diese Rolle an eine ausgelagerte Caisse des Prêts aux HLM abtrat. Im Rahmen der großen wohnungspolitischen Reform 1977 wurde die Finanzierung auf geförderte Mietwohnungsdarlehen (prêt locatif aidé / PLA) umgestellt und durch Baukostenzuschüsse und Wohnbeihilfen (aides personnalisées au logement / APL) ergänzt.

Die im Prinzip kostendeckenden Mieten werden von den HLM für jede Wohnanlage selbst festgelegt, wobei von der Regierung vorgegebene Minimal- und Maximalwerte eingehalten werden müssen. Eine Quersubventionierung innerhalb der Bestände ist nicht erlaubt.

Die Belegungsrechte für freie HLM-Wohnungen sind auf die Départements (30 %), die Gemeinden (20 %) und die Arbeitgeberfonds (50 %), die zur Finanzierung von Neubauten beitragen, verteilt.

1954 wurden erstmals - sehr großzügige - Einkommengrenzen festgelegt, die 80 % der Haushalte umfaßten. Nach 1977 wurde sie schrittweise auf etwas mehr als die Hälfte der Haushalte abgesenkt.

Die Absenkung der Einkommensgrenzen und der Zuzug ärmerer und kinderreicher (Einwanderer-)Familien in die größeren HLM-Wohnungen hat in vielen Siedlungen starke Segregationstendenzen gezeitigt. Etwa 1.000 Wohnanlagen werden als problembelastet bezeichnet.

Seit kurzem sind die HLM-Verwaltungen verpflichtet, Mietern, deren Einkommen die Grenzwerte um mehr als 40 % übersteigen, Fehlbelegungszuschläge vorzuschreiben.

Da die HLM-Mieten vor allem in den Ballungsräumen weit unter den Marktmieten liegen, ist die Fluktuationsrate in den Städten stark zurückgegangen, was die Wohnraumversorgung von Haushalten, die auf den Wartelisten vorgemerkt sind, weiter erschwert.

Niederlande

Die rund 800 niederländischen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen (woningcorporaties) nehmen innerhalb des Wohnungsmarktes eine herausragende Stellung ein. Nur in diesem Land vereinigen sie auf sich mehr als ein Drittel des gesamten Wohnungsbestands oder drei Viertel aller Mietwohnungen. Im Gegensatz zu ähnlichen Institutionen in den übrigen Ländern dominieren sie damit den Mietwohnungsmarkt.

Als ausführende Organe der staatlichen Wohnungspolitik hat ihr Gewicht nach 1945 stark zugenommen. Sie wurden mit öffentlichen Zuschüssen und Darlehen ausgestattet und beauftragt, den Großteil des Wohnungsneubaues zu übernehmen. Im Gegenzug unterstehen sie einer laufenden öffentlichen Kontrolle.

Während die Gemeinden bis 1962 oft direkt als Wohnungsanbieter auftraten, haben die Niederländer es vorgezogen, die politische Aufgaben der Gemeindeverwaltung von den administrativen der Wohnungverwaltung zu trennen und letztere in die Hände der woningcorporaties zu legen.

Obwohl bereits in den 1970er Jahren eine weitgehende Bedarfsdeckung auf dem Wohnungsmarkt beobachtet wurde, ergab eine weitere Verkleinerung der durchschnittlichen Haushaltsgröße zusätzlichen Bedarf. In diesem Sinne und als Reaktion auf die Rezession Anfang der 1980er Jahre beschloß die Regierung ein umfangreiches Neubauprogramm für "Sozialwohnungen". Allerdings wurden aus Kostengründen einfachere Ausstattungen und geringere Nutzflächen gewählt.

Erst die aus dieser Wohnungspolitik resultierende ständig steigende Budgetbelastung zwang die Regierung Ende der 1980er Jahre zu einer Neuorientierung mit geringerer Neubauleistung und sparsamerem Mitteleinsatz. Der Anteil der "Sozialwohnungen" am gesamten Neubau ging von einem Drittel auf ein Viertel zürück.

Die Mieten der gemeinnützigen Wohnungsbestände wurden 1950-74 zunächst als Kostenmieten festgelegt, die dann durch öffentliche Aufwandszuschüsse auf ein für mittlere Einkommen angemessenes Niveau abgesenkt wurden. Durch jährliche Anhebung dieser "Sozialmieten" sollte im Laufe von etwa 20 Jahren ein Abbau der staatlichen Zuschüsse erreicht werden.

Dieses Zuschußsystem wurde 1975 durch ein langfristiges "Dynamisches Kostenmietensystem" ersetzt, das sich in der Folge als noch aufwendiger erwies. Gleichzeitig wurde ein umfassendes System der Wohnbeihilfe begründet (individuele huursubsidie).

Seit der Mitte der 1980er Jahre wurden die staatlichen Darlehen zunehmend und seit 1988 zur Gänze durch etwas teurere Kapitalmarktdarlehen ersetzt, wodurch das Budget entlastet wurde.

Gegenwärtig wird die Errichtung von "sozialen" Wohnungsneubauten nur mehr mit Baukostenzuschüssen von etwa 4 % der Produktionskosten gefördert. Den Förderungsleistungen der öffentliche Hand steht ein Belegungsrecht für 10 % aller Neubauwohnungen gegenüber.

Seit 1992 haben die woningcorporaties größere wirtschaftliche Freiheiten und können Mietanhebungen innerhalb ihrer Bestände differenzieren, solange der Gesamtdurchschnittswert innerhalb der von der Regierung festgelegten Bandbreite liegt.

In den letzten Jahren wurden Wohnungen der woningcorporaties den Mietern zum Kauf angeboten, doch weder mit den in Großbritannien üblichen Rabatten noch als ein verbrieftes Recht. Die Reaktion auf dieses Angebot war eher gering.

Eines der Hauptthemen der wohnungspolitischen Diskussion in den 1990er Jahren war die Beseitigung von Fehlbelegungen im "sozialen" Mietwohnungsbestand. Dies betrifft sowohl Haushalte mit mittlerweile höheren Einkommen, die in "zu billigen" älteren Wohnungen verbleiben, als auch ärmere Haushalte, die in teurere Neubauwohnungen ziehen müssen und deshalb hohe Wohnbeihilfezahlungen erfordern.

1995 wurden in einer "tabula-rasa-Aktion" die Schulden der woningcorporaties bei der öffentlichen Hand gegen ihre künftigen Ansprüche auf Subventionen aufgerechnet und die Differenz als Einmalzahlung den woningcorporaties überwiesen. Seither sind sie für die Festlegung ihrer Mieten selbst verantwortlich.

Diese knappe Übersicht läßt einige Parallelen und einige Differenzen zwischen den gemeinnützigen Sektoren und unterschiedliche Tendenzen der Annäherung an marktwirtschaftliche Prinzipien in den behandelten Ländern erkennen. Für die Zukunft wird es sich auf dem Hintergrund einer langsam zusammenwachsenden Europäischen Union darum handeln, die Aufgaben dieses Sektors und die Instrumente, die ihm für deren Erfüllung zur Verfügung gestellt werden, im Sinne einer größtmöglichen wohnungspolitischen Effizienz neu zu überdenken. Dabei können die Erfahrungen anderer Länder hilfreich sein.

Für die östereichischen Verhältnisse hat der Autor bereits in früheren Studien die Rahmenbedingungen analysiert und den Versuch gemacht, konkrete Vorschläge zu formulieren (2).

(Dieser Beitrag basiert auf vorläufigen Befunden der in Ausarbeitung befindlichen Studie des Verfassers "Wohnungspolitik in der EU")

(1) Als "gemeinnütziger" Sektor wird hier jener der para-öffentlichen Wohnungsunternehmen verstanden, die (annähernd) Kostenmieten berechnen. Der Begriff "Gemeinnützigkeit" findet sich nur im österreichischen und (bis 1990) im deutschen Wohnrecht. Eine genaue Definition des Begriffs wird aber im Gesetz nicht gegeben.   ...zurück in den Text

(2) WOHNEN ... und was es kostet 1990
Das Ende der Wohnbauförderung 1995   ...zurück in den Text